Wer schon länger auf Food Vegetarisch mitliest, weiß, dass ich mich auch gerne als Genuss-Vegetarierin bezeichne. Gleiches gilt für das passende Getränk zum Essen. Hier steht bei mir der Genuss auch ganz klar im Vordergrund und gern darf es z. B. ein Glas Wein sein. Ich bin jetzt keine Weinexpertin, habe aber großen Spaß daran, neue Lieblingsweine zu entdecken, sei es bei Weinverkostungen oder durch Empfehlungen von Freunden. Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, als ich bei Blogg dein Buch Die Avantgarde der deutschen Winzer – Slow Wine und seine Erzeuger im Porträt von Ulrich Steger und Kai Wagner zum Rezensieren entdeckt habe. Denn in diesem 256 Seiten umfassenden Buch, das im oekom Verlag erschienen ist, werden 46 Winzer aus Deutschland und ihre Slow Wine Philosophie vorgestellt. Von Slow Wine hatte ich bis dahin wohl schon mal gehört, aber das war es auch schon. Umso mehr also ein Grund, dies nun nachzuholen und mehr über Slow Wine zu erfahren. Und soviel schon mal vorab: Dank dieses Buchs ist mir das auch geglückt.
Gegliedert ist das Buch in zwei Teile. Im ersten Teil erhält man zunächst eine ausführliche und informativ gestaltete “Einführung in die Welt von Slow Wine”. Diese beginnt mit Einblicken in die italienische Slow Food-Bewegung und ihren drei zentralen Slow Food-Grundsätzen “Gut-sauber-fair”, schlägt die Brücke zu dem sich daraus entwickelten Slow Wine Begriff und zeigt, wie vielfältig dieser interpretiert werden kann. Unter anderem geht es darum, welches die Bereiche sind, in denen vom Slow Wine Winzer besondere Verantwortung übernommen wird. Das Besondere an diesem Buch ist dabei, dass es kein klassischer Weinführer ist, in dem Weine bewertet werden. Vielmehr soll der Leser durch die erzählten Geschichten von Winzern, ihren Ideen vom Wein, und wie sie diese in ihren persönlichen Weinstil umsetzen, mehr darüber erfahren, warum ein Wein so ist, wie er ist, und was ihn neben seiner regional-kulturellen Identität und seiner handwerklichen und ökologischen Erzeugung noch vom industriellen Massenwein unterscheidet. Dem “Geschmack, der Seele von Slow Wine”, ist dabei fast die Hälfte der Einführung gewidmet. Als oberstes der drei Slow Food-Prinzipien ist der Geschmack auch für Slow Wine das entscheidende Kriterium, wodurch er sich dann auch deutlich vom Bio-Wein als Massenprodukt unterscheidet. Und so erfährt man auf 18 Seiten viel Hintergründiges über den Geschmack und auch die sprachliche Mehrdeutigkeit dieses Begriffs, die ja gern auch für reichlich Diskussion sorgt. Wie war das noch: Über Geschmack lässt sich nicht streiten…
Wie vielfältig diese Umsetzung der Slow Wine Philosophie in der Praxis sein kann, erfährt man dann im zweiten Teil, in dem es um “Slow Wine und seine Erzeuger im Porträt” geht. Hier werden auf recht kurzweilige und informative Art und Weise insgesamt 46 Winzer aus Deutschland als Repräsentanten für Regionen, Rebsorten, Weinstile und Wirtschaftsweise vorgestellt, die ihren eigenen anderen Zugang zum Wein gefunden haben als die optimierte industrielle Produktion, und die Weine produzieren, die sich vor allem durch ihren individuellen Geschmack auszeichnen. Dieser Teil ist dabei so gestaltet, dass man jederzeit auch prima einfach in die Porträts reinschmökern kann, ohne dass man hier eine bestimmte Reihenfolge fürs Verständnis einhalten sollte. Die Autoren merken hier auch selber an, dass sicherlich auch eine andere Sortierung der Porträts also die hier vorgenommene in “Die Bio-Pioniere” | “Die Mentoren der Bewegung” | “Mehr Slow als Öko” | “Auf dem Weg nach ganz oben” | “Die Unorthodoxen heute” | “Die Quereinsteiger” und “Über wen sprechen wir in fünf Jahren” möglich gewesen wäre.
Ein Glossar, in dem verschiedene Fachbegriffe rund um den Weinbau erläutert werden, rundet schließlich das Buch ab, so dass auch Weineinsteiger wie ich sich nicht von möglichem Fachchinesisch erschlagen fühlen müssen. Wobei ich dies Gefühl während des Lesens auch nicht hatte, da ich den Schreibstil teilweise zwar als anspruchsvoll empfand aber dennoch auch einsteigerfreundlich, wobei sicherlich auch fortgeschrittene Weinbegeisterte in diesem Buch ebenfalls noch manches Neues und Interessantes entdecken werden.
Und dann zum Schluss direkt noch eine Warnung, die sicherlich für fas alle gilt. Denn zu jedem Weingut gibt es nicht nur die detaillierten Kontaktdaten, sondern es wird auch jeweils ein Wein vorgestellt und einige der Weinvorstellungen können durchaus zum sofortigen Bestellen verführen. In diesem Sinne, schönes Schmökern und Cheers!!